Durch unsere Geschichte läßt sich das ziemlich schnell erklären. Nach dem ersten Weltkrieg wurde dieser Teil Preußens von Belgien, einem Staat, der selbst erst 1830 entstanden ist, annektiert. Man könnte es als historischen Glücksfall betrachten, daß die deutsche Bevölkerung aus diesem Teil nach zwei Weltkriegen zumindest nicht vertrieben wurde. Möglicherweise lag es daran, daß diese Monarchie im 19. Jahrhundert eher auf machtpolitischen Faktoren als auf ethnische Gegebenheiten basierte.
Bekannt ist auch, daß das späte 20. Jahrhundert durch den flämisch-wallonischen Konflikt geprägt ist. Um diesen zu lindern, entstanden die heutigen Verwaltungsstrukturen, die ein wenig kompliziert wirken. Belgien besteht heute sowohl aus drei Regionen, wie auch aus drei Gemeinschaften. Beide Arten der Einteilung sind geografisch genau abgegrenzt und sind nicht genau deckungsgleich. Die drei Regionen sind das französisch geprägte Wallonien im Süden, das niederländisch geprägte Flandern im Norden und die Hauptstadtregion Brüssel, ein historischer Teil Flanderns, jedoch heute mit wallonischer Mehrheit. Die drei Gemeinschaften basieren auf der jeweiligen Sprache. Die Flämische Gemeinschaft umfasst Flandern und die Hauptstadtregion. Die Französische Gemeinschaft umfasst den überwiegenden Teil von Wallonien und auch die Hauptstadtregion, die damit offiziell zweisprachig ist und neben Brüssel selbst auch einige Umlandgemeinden umfasst. Die Deutsche Gemeinschaft (Abk. DG) ist die kleinste und umfasst einen östlichen Streifen von Wallonien.
Im Wesentlichen sind es die annektierten Gebiete von 1920. Nach heutigen Strukturen sind es neun Gemeinden (unter anderem die Städte Eupen und St. Vith). Allerdings gibt es noch zwei weitere Gemeinden (Malmedy und Weismes), die zwar auch 1920 annektiert wurden, jedoch heute nicht zur DG gehören. Zwar wird auch dort Deutsch gesprochen, jedoch hat Französisch dort eine stärkere Stellung, als dies in der DG der Fall ist. Alle elf Gemeinden werden als Fazilitäten-Gemeinden bezeichnet, was rechtlich soviel heißt wie, daß neben der Hauptsprache auch eine Erleichterung für die andere Sprache gilt, was sich im öffentlichen Leben bemerkbar macht. So sind im gesamten Gebiet faktisch die deutsche und französische Sprache anzutreffen. Weitere Fazilitäten-Gemeinden (ohne Deutsch) gibt es im Grenzgebiet zwischen den beiden großen Landesteilen und im Umland der Brüsseler Region.
Die deutsche Sprache beschränkt sich allerdings auch nicht nur auf die elf Gemeinden Ostbelgiens (auch Ostkantone genannt). Im Nordwesten der DG angrenzend gibt es noch die sogenannten Plattdeutschen Gemeinden. Die Bezeichnung ist etwas irreführend, da dort ein ostlimburgischer Dialekt gesprochen wird, der zur südniederfränkischen Gruppe, und damit zum mitteldeutschen Sprachraum gehört. Für Außenstehende ist es also kaum zu unterscheiden, ob jemand aus dieser Region oder aus Euskirchen oder Bitburg kommt. Jene drei Gemeinden (Baelen, Bleyberg und Welkenraedt) gehören zwar der Französischen Gemeinschaft an und sind auch keine Fazilitäten-Gemeinden, jedoch ist die deutsche Sprache dort traditionsgemäß anzutreffen. Dieses Gebiet wird auch als "Altbelgien-Nord" bezeichnet. Eine vierte nordwestlich angrenzende Gemeinde (Aubel) gehört zwar traditionell auch dazu, jedoch ist das Deutsche dort weitgehend aus dem Alltag verschwunden.
Das Gebiet "Altbelgien-Süd" ist als historischer Teil Luxemburgs noch ein weiterer Sonderfall. Auch als Areler Land bezeichnet, besteht es aus fünf Gemeinden, die durchweg die französische Sprache haben und auch keine Fazilitäten-Gemeinden sind. Als Luxemburg 1839 an der französisch-deutschen Sprachgrenze geteilt wurde, fiel das Areler Land aus strategischen Gründen und auf Druck Frankreichs jedoch an Belgien (Provinz Luxemburg). Der letzebürgische Dialekt, der im heutigen Großherzogtum Luxemburg gesprochen wird, wobei Französisch und Standarddeutsch dort eine stärkere Stellung haben, ist im Laufe der Zeit dort weitgehend verdrängt worden. Allerdings leben in diesem Gebiet heute viele Pendler, die im Großherzogtum arbeiten und das Letzebürgische somit wieder zurückbringen können. Dazu fehlt jedoch der polische Wille. Eine Chance könnte höchstens die Organisation eines Sprach- und Heimatvereins vor Ort bieten.
Ein Blick gen Westen
Die deutsche Sprache in Belgien
Freitag, 29 Januar 2016 01:02 geschrieben von Andre HohmannEupen/Malmedy - Wenn die Frage kommt, welche Länder im Westen an Deutschland grenzen, kann man die Antwort kurz machen und sagen: Frankreich und BeNeLux. Durch letzteren Begriff vergißt man auch nie eines der drei Länder Belgien, Niederlande und Luxemburg. Wenn dann weiter nach den Sprachen bei unseren Nachbarn gefragt wird, wird auch so ziemlich jeder Französisch und "Holländisch", oder Niederländisch, wie es richtig heißt, antworten. Bei Luxemburg wird es schon schwieriger, und wer nicht gerade “Belgisch” sagt, wird zumindest auch die beiden Hauptsprachen dort kennen. Wer in der Grenzregion zuhause ist, und eigentlich sollte es auch die Allgemeinheit wissen, weiß, daß in Belgien auch deutsch gesprochen wird.